Im Gespräch mit Timon

Engagiert für youvo

Auf seiner Plattform vernetzt der gemeinnützige Verein youvo Menschen aus der Kreativwirtschaft mit sozialen Organisationen. Für die Gestaltung und Entwicklung der Plattform ist unter anderem Timon verantwortlich. Ehrenamtlich, versteht sich. Während der Verein in den vergangenen Jahren gemeinsam gewachsen ist, hat auch jedes Teammitglied eine individuelle Entwicklung durchlaufen, erzählt Timon rückblickend. Für ihn ist das Gefühl, Gutes zu tun, das konstruktive Miteinander im Team und – nicht zu unterschätzen – der Spaß, den er bei seinem freiwilligen Engagement hat, der wichtigste Antrieb.

Veröffentlicht

21. Oktober 2020

Geführt von

Claudia Haas

In deiner Freizeit engagierst du dich für die Organisation youvo. Was macht youvo?

Youvo ist ein sozialer Verein, der Organisationen mit Kreativen zusammenbringt und projektbasiertes Engagement vermittelt. Das Ganze findet sowohl offline in Form von Workshops statt als auch online über unsere Plattform. Unsere Plattform stellen wir als Werkzeug zur Verfügung, um soziale Organisationen und ihre digitalen Projekte mit Kreativen zu vernetzen. Die Kreativen sind meist Studierende und Professionals aus dem Design-, Kommunikations- und Digitalbereich. Sie bekommen durch youvo die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten für soziale Projekte einzusetzen. Dabei profitieren beide Parteien auf ganz unterschiedliche Weise voneinander.

Warum benötigen Organisationen eine Plattform wie youvo?

Organisationen brauchen die Unterstützung im Digitalbereich und in der Öffentlichkeitsarbeit. Oft sind sie in der Startphase oder selbst nur ehrenamtlich aufgestellt und haben nicht die finanziellen Ressourcen, um diese Leistung auf dem Markt einzukaufen, obwohl sie sie dringend nötig hätten. Gerade wenn die Organisationen noch jung sind und wichtige inhaltliche Arbeit leisten, können sie mit digitalen Tools wertvolle Zeit sparen. Auf der anderen Seite wollen sie öffentlich wahrgenommen werden. Dafür müssen sie Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Das fängt beim Logo an und geht bis zur Gestaltung einer Website. Zu solchen Dingen fehlt den Organisationen oft der Zugang, und genau da kommen wir ins Spiel. Wir sehen, dass es viel Potenzial gibt, und versuchen, eine Hebelwirkung zu entfalten. Wir wollen die inhaltliche Arbeit unterstützen und sie durch Digitalisierung, durch Öffentlichkeitsarbeit, durch kreative Leistung potenzieren.

Wie bringst du dich bei youvo ein?

Ich bin bei youvo seit 2015 ehrenamtlich als Interface Designer tätig, hauptsächlich also für User Interface1 und User Experience2 zuständig. Meine Arbeit besteht darin, die Plattform zu gestalten, die Prozesse auf der Plattform zu optimieren und Verbesserungspotenzial zu erkennen – was an vielen Stellen möglich ist. Es gibt eine lange Liste mit Funktionen, die wir in Zukunft bereitstellen möchten. Mit ihnen könnte die Plattform als Werkzeug eine größere Wirkung entfalten – zugunsten der Organisationen, aber auch zugunsten der Kreativen. Bei solchen Angelegenheiten bin ich als Gestalter und Entwickler in Zusammenarbeit mit anderen Teammitgliedern tätig. Ich arbeite viel mit unserem Web-Entwickler zusammen, aber auch mit Personen, die beratend gegenüber den Organisationen agieren. Die Erfahrungen der Vermittlungsarbeit können so wunderbar in die Weiterentwicklung der Plattform einfließen. Grundsätzlich sind wir bei youvo ein kleines, agiles Team und eigentlich beschäftigen sich alle mit allem. Jedes Teammitglied hat seine Themenschwerpunkte, aber – und das finde ich besonders schön – es gibt keine starren Grenzen. Wir arbeiten an allen Herausforderungen gemeinsam.

Inwieweit hat dein Engagement bei youvo dir geholfen, persönlich zu wachsen oder deine Fähigkeiten weiterzuentwickeln?

Durch das Engagement bei youvo habe ich festgestellt, wo meine Interessenschwerpunkte liegen. Anfangs habe ich auch Vermittlungsarbeit gemacht. Im Kontakt mit den Organisationen konnte ich mehr über die Bedürfnisse der Organisationen lernen, das war sehr interessant. Mit der Zeit habe ich immer mehr meine Rolle im Team gefunden. An den ganzen Funktionen der Plattform und größeren Herausforderungen haben wir immer zusammen getüftelt. Dieser Austausch, der Perspektivwechsel und Empathie für die Zielgruppe sind für Gestaltungsarbeit einfach wichtig. Wir haben alle gemeinsam einen Weg beschritten, und während wir als Organisation gewachsen sind, sind wir einzeln auch in unseren Rollen gewachsen und haben jeweils unseren Spezialbereich gefunden. Letztendlich war mein Engagement bei youvo ausschlaggebend für die Entscheidung zu einem Masterstudium in Informationsdesign. Mein Engagement bei youvo hat mich sehr geprägt, dafür bin ich dankbar.

Wie läuft die Vermittlung einer Organisation und der Start eines Projekts ab? Findet der Austausch digital oder offline statt?

Das Ganze fängt mit einem Projektvorschlag der Organisation an, die ihr Anliegen beschreibt. Diese Beschreibung lesen wir und prüfen in einem ersten Schritt, ob unser Ehrenamt gerechtfertigt ist. Dafür schauen wir uns die komplette Organisation an: Wie groß ist sie? Wie ist sie aufgestellt? Wie ist das Verhältnis von Ehrenamtlichen zu Hauptamtlichen? Wir wollen sicherstellen, dass es fair ist, wenn unsere Kreativen ehrenamtlich einsteigen und für eine Zeit ein Teil des Teams werden. Sie sollen nicht die Einzigen sein, die nicht bezahlt werden. Das wäre unfair, weil die Organisationen in solchen Fällen meistens auch die Möglichkeit haben, auf andere Weise an diese Leistung zu kommen. Es kommt also auch zu Absagen von uns, wenn Organisationen zu groß sind oder aus anderen Gründen nicht zu uns passen. Das ist die erste Hürde, die die Organisationen nehmen müssen. Für die Projektorientierung ist es außerdem wichtig, dass es eine konkrete Herausforderung gibt. Bei einem ersten Telefonat können wir dabei helfen, das Projekt zu konkretisieren und einzelne Arbeitspakete aus einer größeren Herausforderung zu schnüren. Darauf folgt die Projekterstellung auf unserer Website mit allen nötigen Informationen zum Vorhaben wie zum Beispiel der Deadline oder einer Wertschätzung für die Kreativen. Manchmal ist es den Auftraggeber*innen möglich, eine finanzielle Aufwandsentschädigung zu zahlen. Wenn nicht, wünschen wir uns eine Form der ideellen Wertschätzung der Organisation. Das kann eine Einladung zum Essen sein oder ein Paket mit Materialien der jeweiligen Organisation. Am Ende dieses Schrittes gibt es eine fertige Projektbeschreibung, die von uns zur Qualitätssicherung final freigegeben wird. So stellen wir sicher, dass die Ausschreibung unserer Projekt- und Fähigkeitenorientierung genügt. Über die Jahre haben wir Erfahrung gesammelt, wie sich Projekte gut vermitteln lassen.

War es eine bewusste Entscheidung, dass dein Ehrenamt fast ausschließlich digital abläuft und dass du nicht zu einem Verein vor Ort gegangen bist, um dich dort zu engagieren?

Auf jeden Fall. Digitales Engagement hat viele Vorteile gegenüber dem herkömmlichen Engagement. Für mich persönlich war es spannender, neuartig und innovativ. Es hatte ein großes Potenzial für mich. Das Neuartige war für mich die Hebelwirkung durch die von uns bereitgestellte Plattform: Einerseits ermöglicht sie es, dass Menschen aus der Kreativwirtschaft soziale Organisation unterstützen können. Andererseits unterstütze ich youvo als soziale Organisation. Dank der Arbeit vom Computer aus kann ich mein Engagement unabhängig vom Wohnort ausüben. Einmal in der Woche haben wir einen festen Termin per Videotelefonat, bei dem wir uns gegenseitig auf den aktuellsten Stand bringen. Aber die meiste Arbeit erledige ich am Wochenende oder abends zwischendurch. Meine Arbeit für youvo ist sehr gut zeitversetzt möglich. Ich arbeite einfach ein Stück und dann ein, zwei Tage später prüft es jemand anderes oder arbeitet daran weiter. Das ist total flexibel und würde für mich momentan durch meinen Vollzeitjob auch kaum anders gehen.

Gibt es neben dem positiven Gefühl, andere bei kreativen und digitalen Herausforderungen zu unterstützen und dem Vorteil der flexiblen Zeiteinteilung noch andere Faktoren, die dich zu deinem Engagement motivieren?

Das ist ein Dreiklang: das Gefühl, das Richtige zu tun, selbst daran zu wachsen und das Miteinander im Team. Und was sich daran anschließt: Am Ende macht es einfach Spaß. Das ist nicht zu unterschätzen, gerade wenn die Arbeit ehrenamtlich ist. Dank der hohen Flexibilität hat man keine Einschränkungen oder größeren Umstände. Ich wohne momentan zum Beispiel als einzige Person von youvo in Leipzig und viele Offlinetreffen finden in Berlin statt. Ohne digitale Werkzeuge wäre meine Teilnahme daran nicht vorstellbar. Zeit- und ortsunabhängig zu arbeiten erhöht den Spaßfaktor, mir fällt die Tätigkeit so viel leichter.

Was sind die Momente, in denen du merkst, dein Engagement macht Sinn und deine Zeit ist sinnvoll investiert?

Wir erhalten im Zuge des Projektabschlusses regelmäßig Feedback von den Organisationen und Kreativen, wie es gelaufen ist. Das sind wertvolle Rückmeldungen und für uns eine Form der Wertschätzung. Daran können wir sehen, dass wir wirklich etwas bewegen und unsere Plattform das Richtige ist, um zwei Parteien miteinander zu verbinden, die sonst nicht zueinander gefunden hätten. Sie lernen in diesem Prozess auf verschiedenen Ebenen voneinander. Wenn das durch Feedbacks sichtbar wird, ist es eine große Motivation für mich. Diese Informationen werden im Team auch entsprechend an alle weitergetragen. Es tut gut, die Rückmeldung zu bekommen, dass unsere ehrenamtliche Arbeit nicht ins Leere läuft.

Hast du neben diesen vielen schönen Erfahrungen auch Herausforderungen oder Hürden bewältigen müssen?

Ein sehr präsentes Thema ist Geld. Wir waren einige Jahre lang gut finanziert und haben die Vorteile zu schätzen gelernt. Gerade die Weiterentwicklung der Plattform benötigt eine Menge Zeit. Man stößt als Ehrenamtler*in regelmäßig an die eigenen Grenzen. Teilweise kann ich zurzeit nur noch die Instandhaltung leisten. Neuartige Funktionen zu entwickeln gestaltet sich schwierig, weil sich der Prozess durch die wenigen Stunden, die man reinstecken kann, in die Länge zieht. Das ist eine große Herausforderung: Zum Teil arbeite ich an Dingen, die wir vor einem Jahr besprochen haben. Eigentlich wäre es schon wieder Zeit, sie neu zu besprechen, aber das wiederum würde auch Zeit kosten. Wir haben einige Baustellen, die offen sind. Zeit und Geld sind dabei die größten Herausforderungen.

Wie gestaltet sich euer Miteinander im Team?

Wir treffen uns einmal im Quartal für ein komplettes Wochenende, an dem wir uns bestimmte Themen und Herausforderungen auf die Agenda setzen, die eine längere Besprechung erfordern. Manche Themen lassen sich am besten persönlich und vor einem Whiteboard diskutieren. Das Treffen ist für uns ein wichtiges Ereignis, sowohl strategisch für den Verein als auch persönlich für uns, weil es schön ist, sich offline zu sehen. Auch das Thema Teamkultur steht dann auf der Agenda. Wir sprechen viel über unsere Zusammenarbeit und den Umgang miteinander, damit es nicht zu Problemen und Missverständnissen kommt. Im ersten Moment scheint das zwar zusätzlichen Aufwand zu bedeuten, aber wir haben im Lauf der Zeit festgestellt, dass der sich am Ende bezahlt macht. Voneinander zu lernen, miteinander zu arbeiten, aneinander zu wachsen und die eigene Position im Team zu finden, ergibt sich vor allem aus dem ehrlichen Dialog. Diese Erfahrung nehme ich in meinen neuen Job und in meine zukünftigen Tätigkeiten mit.

Vielen Dank für das Gespräch, Timon!

  1. Das User-Interface-Design beschäftigt sich mit der Gestaltung der Oberfläche (dem Interface) einer App, einer Website etc.
  2. Beim User-Experience-Design steht die Erfahrung der App-/Website-Nutzer*innen im Vordergrund. Ziel ist hier vor allem eine intuitive Bedienbarkeit.